Fragen zur Barrierefreiheit und barrierefreien Website

In diesem Beitrag beantworten wir Fragen rund um Barrierefreiheit und einer barrierefreien Website.

Wie wird Barrierefreiheit definiert?
Warum ist Barrierefreiheit wichtig?
Wie viele Menschen mit Behinderung gibt es?
Welche Formen von Beeinträchtigungen gibt es?
Was bedeutet Inklusion?
Was ist eine barrierefreie Website?
Was sind grundlegende Anforderungen an eine barrierefreie Website?
Wie aufwendig ist die Umsetzung einer barrierefreie Website?
Welchen Nutzen bietet eine barrierefreie Website?
Kann eine Website zu 100 Prozent barrierefrei sein?
Was ist eine Erklärung zur Barrierefreiheit?
Was ist mit Dokumenten auf einer Website?
Was ist ein Overlay?
Welche Vorgaben zur digitalen Barrierefreiheit gibt es?
Welche WCAG-Checklisten könnt ihr empfehlen?
Welche kostenfreien Kurse für digitale Barrierefreiheit könnt ihr empfehlen?
Welche Zertifizierung im Bereich Barrierefreiheit könnt ihr empfehlen?

Wie wird Barrierefreiheit definiert?

Im § 4 des Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) gibt es eine Definition von Barrierefreiheit:

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.

Diese Definition fokussiert auf die Gestaltung einer barrierefreien Umwelt für Menschen mit verschiedenen Behinderungen. Diese Perspektive war zur Zeit, als das Gesetz 2002 erlassen wurde, gar nicht selbstverständlich. Man hat das Problem eher bei den Menschen mit Behinderungen verortet und wollte diese Menschen möglichst befähigen in einer nicht barrierefreien Umwelt klar zu kommen. Das hat sich zum Glück geändert und die Lösung des Problems liegt nun vor allem darin, eine Umwelt zu gestalten, die niemanden mehr durch Barrieren behindert.

Warum ist Barrierefreiheit wichtig?

Barrieren verhindern oder erschweren Menschen mit Behinderung den Zugang zu Orten, Informationen oder Diensten und damit die gleichberechtigte Teilhabe. Zugang und Teilhabe ist aber ein Menschenrecht. Damit geht es bei Barrierefreiheit schlicht um die Umsetzung von Menschenrechten. Von einer barrierefreien Umwelt profitieren aber oft alle Menschen. Zum Beispiel kann ein Fahrstuhl allem Menschen den Zugang zu höheren Stockwerken erleichtern. Und eine barrierefreie Website ist meist für alle Benutzer einfacher zu bedienen.

Hinweis: Dabei ist es auch wichtig zu bedenken, dass eine Beeinträchtigung nicht immer permanent ist, sondern oft auch temporär oder situativ. Zum Beispiel jemand, der nach einer OP eine zeit lang auf Gehhilfen angewiesen ist oder jemand, der in der U-Bahn sitzt und deswegen den Ton eines Videos nicht anmachen möchte. 

Wie viele Menschen mit Behinderung gibt es?

Laut World Health Organization (WHO) liegt der Anteil von Menschen mit erheblicher Behinderung weltweit im Durchschnitt bei 16 Prozent der Weltbevölkerung. Das sind 1,3 Milliarden Menschen und damit jeder sechste Mensch. In Deutschland gibt es fast 8 Millionen Menschen mit einer Schwerbehinderung. Menschen mit Behinderung bilden damit die größte Minderheit der Welt. Auf eine barrierefreie Umwelt sind also nicht einige wenige, sondern viele Menschen angewiesen. 

Welche Formen von Beeinträchtigungen gibt es?

Es gibt eine große Vielfalt an Menschen mit Beeinträchtigungen. Bei der Gestaltung einer barrierefreien Website betrachten wir vor allem die Nutzergruppen, deren Anforderungen in den Kriterien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) abgebildet werden. Das sind Sehbeeinträchtigung (inkl. Blindheit), Hörbeeinträchtigung (inkl. Gehörlosigkeit), motorische Beeinträchtigung, kognitive Beeinträchtigung und Photosensibilität. Es gibt natürlich noch weitere Formen von Beeinträchtigungen und auch Menschen mit Mehrfachbeeinträchtigung. Zum Beispiel nutzen taubblinde Menschen ein Braille-Display, das die Ausgabe eines Screenreaders in Blindenschrift übersetzt und so die Inhalte für diese Benutzer fühlbar macht. 

Was bedeutet Inklusion?

Es geht darum, dass Menschen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt zusammenleben. Es bedeutet also gleichberechtigter Zugang und Teilhabe für alle. Und es bedeutet, dass wir gemeinsam eine barrierefreie Umwelt schaffen, die das ermöglicht und von der wir alle profitieren.

Was ist eine barrierefreie Website?

Eine barrierefreie Website ist für uns vor allem eine Website, die die Anforderungen von Nutzergruppen mit verschiedenen Beeinträchtigungen berücksichtigt und umsetzt. Das Problem ist, dass bei der Entwicklung von Webseiten oft nur an Menschen ohne Beeinträchtigung gedacht wird. Diese Nutzergruppe kann zum Beispiel ohne Einschränkung sehen und hören sowie eine Computermaus nutzen. Dadurch entstehen Barrieren für Nutzergruppen, an die nicht gedacht wurde.

Was sind grundlegende Anforderungen an eine barrierefreie Website?

Hier kommen ein paar grundlegende Anforderungen: Eine Website sollte auch mit Tastatur gut zu bedienen sein. Dann sollte sie auch mit Hilfsmitteln wie einem Screenreader einfach zu nutzen sein. Ein Screenreader wird zum Beispiel von blinden Menschen benutzt, um Informationen in Textform durch synthetische Sprachausgabe zu hören. Außerdem sollte die Website eine klare Struktur sowohl in den Inhalten als auch im Programmiercode haben und eine konsistente Gestaltung. Wichtig sind auch Textalternativen für visuelle Elemente wie Bilder oder Videos. Schnell blinkende und flackernde Inhalte sollten vermieden werden.

Wie aufwendig ist die Umsetzung einer barrierefreie Website?

Wie bei komplexen Projekten gilt die Faustregel, dass der Aufwand immer größer wird, desto später im Projekt Anpassungen vorgenommen werden. Wenn du die Anforderungen der Nutzergruppen mit Beeinträchtigung bereits in der Konzeption berücksichtigst, bleibt der Aufwand oft überschaubar. Wenn du eine bestehende Website anpassen willst, dann hängt der Aufwand vom Stand der Barrierefreiheit deiner Website ab. Bedenke auch, dass eine barrierefreie Website kein einmaliges Projekt ist, sondern in einem laufenden Prozess aufrechterhalten werden muss. Es kann also durchweg sein, dass es weniger aufwendig ist, eine neue Website zu gestalten als die bestehende anzupassen. 

Anmerkung: Oft ist aber der Aufwand für das manuelle Testen jeder Webseite auf die Erfüllung der Barrierefreiheits-Anforderungen hoch. Lass dich am besten dazu von einer spezialisierten Agentur beraten.

Welchen Nutzen bietet eine barrierefreie Website?

Der Aufwand für eine barrierefreie Website kann sich aber nachhaltig auszahlen. Denn Menschen mit Beeinträchtigungen bilden eine große Gruppe von potenziellen Kunden; zum Beispiel für einen Online-Shop. Dann ist eine barrierefreie Website in der Regel von allen Benutzern einfacher zu bedienen und wird von den Suchmaschinen besser bewertet. Mit einer barrierefreien Website beweist ein Unternehmen aber auch soziale Verantwortung und zeigt, dass Werte wie Fairness und Gleichberechtigung wichtig sind. Das ist gut für Image und Marke. 

Kann eine Website zu 100 Prozent barrierefrei sein?

Wahrscheinlich nicht. Dazu sind die Bedürfnisse einfach zu vielfältig. Deswegen ist es auch wichtig, Barrierefreiheit als laufenden Optimierungsprozess zu betrachten und nicht als einmaliges Projekt. Eigentlich wäre die Bezeichnung barrierearme Website daher auch treffender. Aber ich bleibe in diesem Leitfaden bei der geläufigen Bezeichnung barrierefreie Website.

Was ist eine Erklärung zur Barrierefreiheit?

Auf Websites von öffentlichen Stellen muss es eine separate Seite mit einer Erklärung zur Barrierefreiheit geben. An die Inhalte dieser Seite gibt es verbindliche Anforderungen, die erfüllt werden müssen; zum Beispiel muss es Feedback-Mechanismus geben. Aber auch für nicht-öffentliche Stellen sollte die Einbindung einer solchen Erklärung erfolgen. Auf einer solchen Seite kann man den Stand der Barrierefreiheit dokumentieren (inklusive der noch nicht erfüllten Kriterien) und den Benutzern die Möglichkeit geben, Barrieren zu melden.

Was ist mit Dokumenten auf einer Website?

Auch Dokumente, die auf einer Website zum Herunterladen angeboten werden, müssen barrierefrei sein. Für Dokumente gelten dabei die gleichen grundlegenden Barrierefreiheit-Anforderungen wie für eine Website.

Tipp: Die Aktion Mensch bietet einen kostenfreien Selbstlern-Kurs an. Und im Portal Barrierefreiheit findest du eine Umsetzungshilfe für barrierefreie Dokumente.

Was ist ein Overlay?

Overlays sind Tools, die in die Website eingebunden werden, und den Benutzern bestimmte Einstellungen wie zum Beispiel Schriftgröße oder Kontrast anbieten. Grundsätzlich solltest du bei sogenannten Overlay-Lösungen vorsichtig sein, wenn sie als Abkürzungen zu einer barrierefreien Website oder als 1-Klick-Pauschallösungen dargestellt werden. Allerdings kann es Sinn machen, solche Lösungen zur Überbrückung oder für den ergänzenden Einsatz zu nutzen, um bestimmte Barrierefreiheits-Anforderungen umzusetzen. Aber soweit wir das wahrnehmen, wird dies von Experten sehr kritisch diskutiert. Es kommt also immer auf den Einzelfall an.

Anmerkung: Es ist wichtig, eine Website von Grund barrierefrei zu gestalten. In diesem Fall ist dann wahrscheinlich die Einbindung einer zusätzlichen Technik nicht mehr erforderlich oder nur in speziellen Anwendungsfällen.

Welche Vorgaben zur digitalen Barrierefreiheit gibt es?

Wir geben dir hier mal eine kurze Übersicht zu den aus unserer Sicht relevanten Vorgaben:

  • UN-BRK: Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) wurde 2006 verabschiedet und 2009 von Deutschland ratifiziert. Sie ist also bei uns geltendes Recht. Aktion Mensch schreibt: Die UN-BRK ist eine Konkretisierung der allgemeinen Menschenrechte bezogen auf die Situation von Menschen mit Behinderung. Die Konvention verpflichtet die Unterzeichner-Staaten (immerhin 186 Staaten), die Menschenrechte auch für Menschen mit Behinderung zu gewährleisten. Dazu gehört auch Zugang zu Informationen und die gleichberechtigte Teilhabe.
  • BGG: Ziel des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) ist es, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Im BGG findet sich eine Definition der Barrierefreiheit, die den Fokus wie in der UN-BRK auf eine barrierefreie Gestaltung der Umwelt legt. Das BGG verpflichtet in § 12a die öffentlichen Stellen des Bundes dazu, ihre Websites und mobilen Anwendungen barrierefrei anzubieten.
  • BITV: Die Barriere-Informationstechnik-Verordnung (BITV) wurde erlassen, um diese Barrierefreiheits-Anforderungen im Rahmen des BGG für öffentliche Stellen zu präzisieren. Dazu verweist sie wiederum auf den verbindlichen europäischen Standard EN 301 549, der konkrete Anforderungen für Informations- und Kommunikationstechnik festlegt. Außerdem gibt die BITV vor, dass öffentliche Stellen das höchstmögliche Maß an Barrierefreiheit umsetzen und dass wesentliche Informationen in Leichter Sprache und Deutscher Gebärdensprache angeboten werden müssen. Außerdem muss eine Erklärung zur Barrierefreiheit in eine Website eingebunden werden.
  • BFSG: Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wurde der European Accessibility Act (EAA) in deutsches Recht überführt. Mit dem BFSG werden nun auch nicht-öffentliche Stellen, die Produkte und Dienstleistungen für Verbraucher nach dem 28.06.2025 in den Verkehr bringen zur Barrierefreiheit verpflichtet. Dies betrifft unter anderem den Online-Handel. Es gibt allerdings Ausnahmen für Kleinstunternehmen (Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen oder dessen Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft).
  • EN 301 549:  Die Europäische Norm EN 301 549 definiert konkrete Anforderungen an die Barrierefreiheit für Informations- und Kommunikationstechnik und sie gilt als verbindlicher europäischer Standard. In Kapitel 9 verweist die Norm für barrierefreie Webinhalte auf die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG Version 2.1). 
  • WCAG: Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) in der Version 2.1 sind der internationale Standard für barrierefreie Webinhalte. Viele Gesetze und Verordnungen weltweit verweisen auf diesen Standard. Es gibt auch schon die Version 2.2 und die Version 3 befindet sich in der Entwicklung. Die WCAG sind in 4 Prinzipien und 13 Richtlinien eingeteilt. Jede Richtlinie hat einzelne testbare Kriterien, die jeweils in eine der drei sogenannten Konformitätsstufen eingeteilt sind. A ist die niedrigste Stufe mit der höchsten Priorität (minimale Anforderung), AA ist die mittlere Stufe und AAA die höchste Stufe mit der niedrigsten Priorität (maximale Anforderung). Die WCAG sind umfassend dokumentiert.

Welche WCAG-Checklisten könnt ihr empfehlen?

Auf der Website der Web Accessibility Initiative (WAI) findest du einen riesigen Fundus an wertvollen Informationen und auch eine Liste von hilfreichen Tools und Checklisten. Dann arbeiten wir gerne mit der WCAG-Checkliste von WebAIM und mit der Checkliste des A11Y-Projects. Dann finden wir noch die Toolbox des Projekts Teilhabe 4.0 sehr hilfreich.

Welche kostenfreien Kurse für digitale Barrierefreiheit könnt ihr empfehlen?

Es gibt eine große Vielfalt an guten und kostenfreien Kursen für Barrierefreiheit. Zum Einstieg können wir den Kurs Introduction to Web Accessibility des World Wide Web Consortiums (W3C) empfehlen. Der ist allerdings in englischer Sprache. In deutscher Sprache gefiel uns der Kurs Digitale Barrierefreiheit und Teilhabe des eGov-Campus sehr gut. Wenn du grundlegende Kenntnisse in der Webprogrammierung hast, kannst du auch den Kurs Web Accessibility von Udacity oder das Accessibility Tutorial von W3Schools absolvieren. Beides ist ebenfalls kostenfrei. Es gibt sicherlich noch viele weitere tolle Kurse, aber die oben erwähnten Kurse haben mir besonders beim Einstieg ins Thema geholfen. Außerdem findest du auf der Website der Web Accessibility Initiative (WAI) einen riesigen Fundus an wertvollen Informationen rund um eine barrierefreie Website.

Welche Zertifizierung im Bereich Barrierefreiheit könnt ihr empfehlen?

Wenn du dich im Bereich Barrierefreiheit zertifizieren lassen möchtest, dann sind aus unserer Sicht die IAAP-Zertifizierungen am besten. IAAP steht für International Association of Accessibility Professionals. Sie bietet mit dem Certified Professional in Accessibility Core Competencies (CPACC) eine grundlegende erste Zertifizierung an. Die Prüfung ist nicht einfach, aber mit der Vorbereitung erarbeitest du dir ein breites Wissen zum Thema. Wenn du mindestens 3 Jahre Erfahrung als Barrierefreiheits-Experte hast, kannst du die Zertifizierung zum Web Accessibility Specialist (WAS) machen. Wenn du dann den CPACC und den WAS hast, wirst du automatisch als Certified Professional in Web Accessibility (CPWA) zertifiziert. Soweit wir wissen, ist das die höchste Zertifizierung, die dich international als Fachkraft für Web-Barrierefreiheit ausweist. Auf der deutschen Website des IAAP findest du mehr Informationen.

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