Barrierefreiheit: Empfehlungen für Webentwickler

Digitale Barrierefreiheit ist kein Spezialthema für eine kleine Randgruppe – sie betrifft Millionen von Menschen. Ob jemand eine Seh- oder Hörbehinderung hat, motorisch eingeschränkt ist oder kognitive Unterstützung braucht: Das Internet sollte für alle zugänglich sein. Für viele ist der Zugang zu digitalen Angeboten sogar der einzige Weg, um selbstständig am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen – ob bei der Jobsuche, beim Einkaufen oder beim Kontakt mit Behörden.

Genau hier kommen wir Webentwickler ins Spiel. Ihre Arbeit entscheidet oft darüber, ob ein Mensch eine Website problemlos nutzen kann – oder ob er oder sie an einer scheinbar kleinen Hürde scheitert. Dabei geht es nicht nur um technischen Feinschliff oder nachträgliche Anpassungen. Barrierefreiheit beginnt viel früher: schon in der Konzeptions- und Designphase. Wenn wir sie von Anfang an mitdenken, wird sie zur Selbstverständlichkeit statt zur Sonderaufgabe.

In diesem Beitrag möchten wir dir zeigen, wie du mit einfachen, aber wirkungsvollen Maßnahmen mehr digitale Teilhabe ermöglichen kannst – und worauf es dabei wirklich ankommt.

Unsere 10 Empfehlungen für Webentwickler

1. Verwende semantisch korrektes HTML

Ein zentraler Aspekt barrierefreier Webentwicklung ist die Verwendung semantisch korrekten HTMLs. Dabei sollten HTML-Elemente entsprechend ihrer Bedeutung eingesetzt werden, zum Beispiel <button>, <nav>, <header>, <main>, <article>, <section> oder <footer>. Die semantische Auszeichnung hilft assistiven Technologien wie Screenreadern dabei, die Inhalte korrekt zu interpretieren und zugänglich zu machen.

2. Mache interaktive Elemente mit Tastatur bedienbar

Alle interaktiven Komponenten einer Website, wie Formulare, Menüs oder Dialoge, müssen vollständig per Tastatur bedienbar sein. Die Navigation mit der Tabulatortaste sollte reibungslos möglich sein. Dabei kann der Einsatz von tabindex hilfreich sein. Entwickler müssen außerdem darauf achten, keine sogenannten Tastaturfallen zu erzeugen, bei denen Nutzer nicht mehr aus einem bestimmten Bereich heraus navigieren können.

3. Gestalte Formulare klar und verständlich

Formulare sollten so gestaltet sein, dass sie für alle Nutzergruppen verständlich und bedienbar sind. Dazu gehört die Verwendung von <label>-Elementen zur Beschriftung der Felder sowie ergänzenden Attributen wie aria-describedby, um zusätzliche Informationen zu vermitteln, etwa zur erwarteten Eingabeform oder zu Fehlermeldungen. Auch Validierungen müssen barrierefrei gestaltet und klar kommuniziert werden.

4. Stelle Textalternativen für Bilder bereit

Damit auch visuelle Inhalte für Menschen mit Sehbehinderungen zugänglich sind, sollten Bilder mit passenden Alternativtexten versehen werden. Aussagekräftige Bilder benötigen einen sinnvollen alt-Text, während dekorative Bilder entweder mit alt="" oder mit dem Attribut role="presentation" vom Screenreader ignoriert werden sollten.

5. Setze Farben und Kontraste richtig ein

Die Verwendung ausreichender Farbkontraste zwischen Text und Hintergrund ist entscheidend für die Lesbarkeit. Der Mindestkontrast sollte bei 4,5:1 liegen, bei größerer Schrift reicht 3:1. Darüber hinaus sollte Information niemals ausschließlich über Farbe vermittelt werden, etwa indem Fehler nur durch rote Markierung kenntlich gemacht werden.

6. Gestalte ein responsives und flexibles Layout

Eine barrierefreie Website muss auf unterschiedlichen Geräten und bei verschiedenen Bildschirmgrößen gut funktionieren. Das schließt auch ein, dass Inhalte bei Vergrößerung nicht abgeschnitten oder unleserlich werden. Flexibles Design und saubere CSS-Umsetzungen sind dabei unerlässlich.

7. Verwende ARIA richtig

ARIA (Accessible Rich Internet Applications) bietet Möglichkeiten, interaktiven Komponenten zusätzliche Zugänglichkeitsinformationen mitzugeben. Mit Rollen, Zuständen und Eigenschaften lässt sich das Verhalten von Elementen gezielt steuern. Dabei gilt jedoch die Regel: ARIA soll niemals als Ersatz für native HTML-Elemente verwendet werden.

8. Trenne visuelles und logisches Layout

Struktur und Präsentation sollten strikt getrennt werden. Während HTML für die inhaltliche Struktur zuständig ist, übernimmt CSS die visuelle Gestaltung. Selbst wenn Stylesheets deaktiviert sind, sollte die Struktur der Seite erhalten bleiben. Eine saubere Gliederung durch eine logische Überschriften-Hierarchie unterstützt die Orientierung zusätzlich.

Sowohl Inhalt als auch Code einer Seite müssen für alle Nutzer logisch und intuitiv verständlich sein.

9. Benutzerführung klar und konsistent halten

Die Navigation innerhalb der Website sollte intuitiv und konsistent sein. Wiederkehrende Navigationselemente wie Menüs oder Fußbereiche sollten stets an denselben Stellen erscheinen, um die Benutzerführung zu erleichtern und Wiedererkennbarkeit zu gewährleisten.

10. Multimedia-Inhalte zugänglich machen

Auch Audio- und Videoinhalte müssen für alle Nutzergruppen zugänglich sein. Videos sollten mit Untertiteln versehen werden und idealerweise über Audiodeskriptionen verfügen. Für Audiodateien sollten Texttranskripte bereitgestellt werden, damit auch hörgeschädigte oder gehörlose Menschen Zugang zu den Inhalten erhalten.

Testen und inklusiv Denken sind der Schlüssel

Teste eine Seite mindestens mit Tastatur und mit Screenreadern. Du musst kein Profi sein. Aber öffne VoiceOver (Mac) oder NVDA (Windows) und hör dir deine Seite an. Du wirst überrascht sein, was dort alles (nicht) vorgelesen wird. Und denke inklusiv – schon beim Design. Barrierefreiheit beginnt nicht beim Coden, sondern beim Konzipieren. Frag dich: Können Menschen mit Seh, Hör oder motorischen Einschränkungen meine Anwendung gleich gut nutzen? Je früher du das einbeziehst, desto einfacher wird die Umsetzung.

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