Barrierefreiheit: Empfehlungen für Webdesigner

Digitale Produkte sind längst ein zentraler Bestandteil unseres Alltags – egal ob Website, App oder Dokument. Doch für viele Menschen mit Einschränkungen stellen sie oft noch unnötige Hürden dar. Dabei sollte digitale Teilhabe für alle selbstverständlich sein. Barrierefreiheit im Design bedeutet, alle Nutzer mitzudenken – unabhängig davon, ob sie mit einer Maus, einer Tastatur, einem Screenreader oder per Sprache navigieren. Es geht darum, Produkte so zu gestalten, dass sie für möglichst viele Menschen zugänglich und nutzbar sind, ohne dass spezielle Anpassungen nötig werden.

Wichtig: Barrierefreiheit ist kein nachträglicher „Fix“, sondern sollte von Anfang an Teil des Designprozesses sein – und das bedeutet: schon in der Konzeptionsphase. Wenn du frühzeitig darüber nachdenkst, wie unterschiedlich Menschen mit deinem Produkt interagieren – je nach Einschränkung, Endgerät oder assistiver Technologie –, kannst du Barrieren vermeiden, bevor sie überhaupt entstehen.

Je besser du die Bedürfnisse verschiedener Nutzergruppen verstehst und in deine Entwürfe einbeziehst, desto inklusiver wird das Endergebnis – und desto einfacher wird auch die spätere Umsetzung. Eine hilfreiche Methode dabei: Erstelle real-wirkende Nutzerprofile (Personas) mit unterschiedlichen Behinderungen. Frag dich dann: Können sie alle Informationen verstehen und nutzen? Auf folgender Seite des Projektes Teilhabe 4.0 findest du mehr Infos zum Thema Persona.

Unsere 10 Empfehlungen für Webdesigner

Du musst kein Webentwickler sein, um barrierefrei zu gestalten. Deine Aufgabe als Webdesigner ist es nicht zwangsläufig, den gesamten Code zu schreiben – sondern eher die richtigen Vorgaben zu machen. Du gibst vor, was sich wie verhalten soll, wo semantische Strukturen notwendig sind oder welche Elemente Tastaturzugänglichkeit brauchen. Bei technisch komplexeren Aufgaben ist es dann wichtig, diese Anforderungen an den Webentwickler klar zu kommunizieren.

1. Gestalte geräteunabhängig

Nicht jeder nutzt eine Maus – viele navigieren mit Tastatur oder Sprachsteuerung. Sorge dafür, dass deine Designs unabhängig vom Eingabegerät funktionieren.

  • Interaktive Elemente müssen mit Tastatur, Touch und Sprache bedienbar sein
  • Vermeide Tastaturfallen (z. B. in Modalfenstern)
  • Logische und vorhersehbare Tab-Reihenfolge sicherstellen
  • Vorgänge müssen abbrechbar sein, bevor der Fokus losgelassen wird
  • Zielbereiche sollten mindestens 24×24 Pixel groß sein (besser ist 44×44 Pixel)

Der Fokus zeigt an, welches Element auf einer Website oder in einer App gerade aktiv ist – etwa ein Link, Button oder Formularfeld. Vor allem Tastatur- und Screenreader-Nutzer brauchen einen gut sichtbaren Fokusindikator, um zu wissen, wo sie sich gerade befinden und mit welchem Element sie interagieren.

2. Vereinfache Navigation und Orientierung

Hilf deinen Nutzern dabei, sich auf deiner Seite schnell zurechtzufinden – unabhängig von der Technik.

  • Einen sichtbaren „Zum Hauptinhalt springen“-Link
  • Inhalte in semantische Regionen einteilen (Header, Main, Footer)
  • Aussagekräftige und eindeutige Seitentitel verwenden
  • Linktexte sollten auch ohne Kontext verständlich sein
  • Navigationselemente konsistent und logisch anordnen
  • Fokusindikator muss klar sichtbar sein
  • Hover-Informationen müssen auch beim Tastaturfokus verfügbar sein

3. Nutze semantische Struktur

Screenreader & Co. benötigen klare Strukturen und sinnvolle Hierarchien, um Inhalte zugänglich zu machen.

  • Visuelle Überschriften müssen auch semantisch korrekt ausgezeichnet sein
  • Keine Überschrift-Ebenen überspringen (z. B. H1 → H3 vermeiden)
  • Tabellen mit klaren Spalten-/Zeilenüberschriften und einem Titel versehen
  • Navigationslisten als semantische Listen kennzeichnen
  • Ton oder Symbole zusätzlich durch Text unterstützen
  • Formularelemente logisch gruppieren und beschriften
  • Formularfelder mit sichtbaren, aussagekräftigen Labels versehen

4. Hilf Fehler zu vermeiden – und zu beheben

Formulare sind häufige Barrieren – gib deinen Nutzern Hilfen an die Hand, um Fehler zu vermeiden oder zu korrigieren.

  • Fehlermeldungen immer mit verständlichem Text beschreiben
  • Beschriftungen sichtbar und dauerhaft anzeigen (kein alleiniger Platzhalter)
  • Pflichtfelder optisch und textlich markieren
  • Konkrete Vorschläge zur Fehlerbehebung machen
  • Vor Absenden kritischer Daten (z. B. Zahlung) eine Überprüfung ermöglichen
  • Beschriftungen und Anweisungen sollten nah beim jeweiligen Feld stehen

5. Achte auf Kontrast und Textlesbarkeit

Starker Farbkontrast, gute Schriftarten und klare Formatierung helfen allen – mit und ohne Behinderung.

  • Farbe allein darf nie die einzige Informationsquelle sein
  • Links ohne Unterstreichung müssen optisch deutlich erkennbar sein
  • Text braucht mindestens 4,5:1 (klein) bzw. 3:1 (groß) Kontrast zum Hintergrund
  • Touch-Zoom-Funktion darf nicht deaktiviert sein
  • Nutze echten Text statt Bilder, wo möglich (Ausnahme ist das Logo)
  • Nicht-textliche Elemente (Icons, Linien) brauchen mindestens 3:1 Kontrast
  • Zeilenabstand ≥ 1,5-fach, Absatzabstand ≥ doppelte Schriftgröße

6. Sprich eine klare Sprache

Barrierefreiheit bedeutet auch: verständlich schreiben. Deine Texte sollten für möglichst viele Leser leicht erfassbar sein.

  • Vermeide horizontales und vertikales Scrollen bei Zoom
  • Nutzer müssen Innen- und Zeilenabstände anpassen können, ohne Darstellungsprobleme
  • Überschriften und Labels sollten den Inhalt klar benennen
  • Gliedere Inhalte in kurze, lesbare Abschnitte mit Zwischenüberschriften
  • Gib die Hauptsprache und Sprachwechsel explizit an
  • Verwende einfache Sprache und kurze, klare Sätze
  • Nutze echte Listen für Gruppierungen und Aufzählungen

7. Sorge für Konsistenz und Vorhersehbarkeit

Einheitlichkeit schafft Vertrauen. Wenn Nutzer wissen, was sie erwartet, fühlen sie sich sicherer.

  • Neue Inhalte (z. B. Benachrichtigungen) sollten per Tastatur geschlossen werden können
  • Inhalte sollten so lange sichtbar bleiben, bis der Nutzer sie schließt oder sie obsolet sind
  • Kontextwechsel (z. B. Seitenwechsel) dürfen nicht plötzlich passieren
  • Wiederkehrende Navigationsmuster müssen überall gleich bleiben
  • Verwende Schaltflächen für Funktionen innerhalb der Seite
  • Verwende Links für Navigation zu anderen Seiten
  • Statusmeldungen müssen für Screenreader automatisch vorgelesen werden

8. Gib Nutzern Zeit und sichere Daten

Nicht jeder arbeitet gleich schnell. Gib deinen Nutzern Kontrolle über Sitzungszeiten und Daten.

  • Zeitlimits müssen verlängerbar oder abschaltbar sein
  • Inhalte dürfen sich nicht ungefragt automatisch aktualisieren
  • Häufigkeit von Auto-Updates sollte einstellbar sein
  • Unterbrechungen (z. B. Popups) sollten vermeidbar oder aufschiebbar sein
  • Daten sollten bei Timeout wiederherstellbar sein
  • Warnungen vor automatischem Logout anzeigen
  • Frühzeitig auf Zeitbegrenzungen hinweisen

9. Vermeide unerwünschte Bewegung und Blinken

Bewegung kann ablenken, reizen oder sogar gefährlich sein – gib Nutzer die Kontrolle.

  • UI muss im Hoch- und Querformat funktionieren
  • Animationen über 5 Sekunden müssen pausierbar oder abschaltbar sein
  • Nichts darf öfter als 3× pro Sekunde blinken
  • Parallax- und Scroll-Effekte sollten deaktivierbar sein
  • Biete immer eine Alternative zur Gesten- oder Bewegungserkennung
  • Bewegungsauslösung muss deaktivierbar sein, ohne Funktionseinbußen
  • Kein Autoplay bei Audio oder Video – Nutzer entscheiden selbst

10. Biete visuelle und auditive Alternativen

Nicht alle Nutzer können hören oder sehen – gib ihnen andere Wege, um Inhalte aufzunehmen.

  • Alle bedeutungsvollen Bilder brauchen einen sinnvollen Alternativtext
  • Aktive Bilder (Buttons, Links) brauchen eine beschreibende Textalternative
  • Komplexe Grafiken benötigen zusätzlich eine ausführliche Beschreibung
  • Dekorative Bilder müssen von Screenreadern ignoriert werden
  • Videos brauchen Untertitel – nicht nur für Gehörlose!
  • Für Audio- und Videoinhalte sollte ein Transkript verfügbar sein
  • Audiodeskriptionen machen visuelle Inhalte für Blinde verständlich

Barrierefreies Design ist gutes Design

Barrierefreiheit ist keine Extrafunktion, sondern ein integraler Bestandteil guter User Experience. Wenn du von Anfang an mitdenkst, wie unterschiedliche Menschen mit deinen Designs umgehen – ob per Tastatur, Screenreader oder in stressigen Situationen – gestaltest du inklusiver, nachhaltiger und letztlich auch erfolgreicher.

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